28. - 30.11.2014 - Boží Dar

28.11. - Anreise

Bereits zum 12. Mal versammelten sich mittlerweile die Enthusiasten von Halos und anderen atmosphärischen Erscheinungen in Form eines "Halotreffens". In den letzten 5 Jahren wurden diese Treffen stets an Orten abgehalten, die durch besondere Eisnebel-Halophänomene aufgefallen waren. Nach dem Sudelfeld in Oberbayern und Davos in der Schweiz fiel die Wahl diesmal auf das Fichtelberg-Keilberg-Gebiet, in welchem im Januar und Februar 2014 mehrmals Eisnebelhalos aufgetreten waren. Insbesondere das im Skigebiet Neklid/Unruh von Claudia und Wolfgang Hinz am 30.01.2014 beobachtete "antarktische" Phänomen gab hier den Ausschlag. Claudia und Wolfgang organisierten für uns die Unterbringung im ehemaligen Wohnhaus des Erzgebirgs-Heimatdichters Anton Günther, welches in der Vergangenheit zu einer Gruppenunterkunft für Wintersportler umgebaut wurde. Wer von den Teilnehmern am Freitag im Hellen das Ziel erreichte, hatte das Glück noch einige Sonnenstrahlen zu erhaschen. Im Neklid-Gebiet zeigten sich am Nachmittag sogar schon ein paar Eisnebelhalos wie der 22°-Ring und der obere Berührungsbogen. Viele kamen allerdings erst im Dunklen an, wobei es sich als Herausforderung entpuppte, hinter Oberwiesenthal den richtigen Abzweig nach Boží Dar im dichten Nebel zu finden. Überhaupt präsentierte sich unser Gastort während des gesamten Wochenendes fast ständig in Nebel gehüllt, wohingegen die Gipfel von Keilberg und Fichtelberg über den Nebel hinausragten. Leider handelte es sich wegen einer zwischenzeitlich erfolgten Veränderung der Strömungsrichtung dabei nicht um Eisnebel, sondern um gewöhnlichen Wassertropfennebel. Nach dem Abendessen am Freitagabend begann das Vortragsprogramm mit Beiträgen von Anke und Manfred Hamann über Polarlichter in Lappland, festgehalten in Film und Foto, sowie einer Bilderschau der Jahreshöhepunkte von Michael Großmann. Später wurden dann am Ortsrand wenige Schritte hinter unserer Unterkunft die traditionellen "Sudelfeldmonster" mit Michas LED-Taschenlampe als Lichtquelle in Szene gesetzt und prompt in "Boží-Devils" umbenannt (ungeachtet der etwas fragwürdigen religiösen Implikationen dieser Wortschöpfung als "Gott-Teufel"). Die begleitende steife Brise ließ uns aber ziemlich schnell wieder ins Warme zu einem gemütlichen Ausklang des Abends verschwinden.
Eisnebelhalo
22°-Ring und oberer Berührungsbogen im Eisnebel am Nachmittag des 28.11.2014 im Neklid-Gebiet (Foto: Claudia Hinz)
Licht im Nebel
Lichtstrahl im Böhmischen Nebel (Foto: Andreas Möller)
Bozi-Devil
"Boží-Devil" mit Glorie (Foto: Kevin Förster)

29.11. - Samstag

Für den Sonnabend stand nach einem soliden Frühstück im eiszapfenbewehrten Anton-Günther-Haus zunächst der Besuch im Neklid-Gebiet auf dem Programm. Dieses befindet sich etwa mittig zwischen Boží Dar und dem Keilberggipfel und markierte die für den Flachländer überraschend stabile Obergrenze des Nebels, die es ermöglichte, den Nebelbogen ohne Auflösungstendenzen so lange wie gewünscht zu beobachten. Unser nächstes Ziel war der Keilberggipfel, der sich in herrlichem Sonnenschein und mit bizarren Raureifformationen präsentierte. Faszinierend war auch die teils turbulente Bewegung des Nebels und die schrittweise "Freigabe" der Gebäude auf dem benachbarten Fichtelberg, dessen Gipfel schließlich wie eine Insel im Nebelmeer erschien. Bei der Abfahrt in Richtung Mittagessen legten wir noch einen Zwischenstopp direkt an der Keilbergstraße ein, wo das Sonnenlicht malerisch durch das Geäst der Nadelbäume fiel. Neben den dreidimensional projizierten Licht- und Schattenstrahlen waren dicht an der Sonne auch ausgeprägte Kränze zu beobachten und das Gewimmel der Nebeltröpfchen erinnerte ein wenig an das typische Einsnebelhaloglitzern. Ein dick bereifter senkrechter Stab oder Ast, dessen oberes Ende ein wenig durch die Fichtenzweige lugte, wurde von Reinhard Nitze spontan zur "Keilberghexe" erklärt und thronte bei passender Wahl des Beobachtungsstandortes über einem prächtigen Kranzsystem. 
Der Fichtelberg
Der Fichtelberg im Wolkenmeer (Foto: Claudia Hinz)
Schattenstrahlen
Radiale Schattenstrahlen um einen Fichtenwipfel (Foto: Andreas Möller)
Keilberghexe
Keilberghexe mit farbigen Kranz (Foto: Alexander Haußmann)
Nach dem Mittagessen in einem der örtlichen Gasthäuser setzten wir gut gesättigt unser Vortragsprogramm fort. Elmar Schmidt widmete sich den speziellen Problemen des Zirkumhorizontalbogens als Haloart, deren erforderlicher Grenzwert der Sonnen- oder Mondhöhe (58°) in Deutschland nur selten überschritten wird. Alexander Haußmann behandelte mögliche Eiskristallformen und -orientierungen zur Simulation des relativ hellen Untergegensonnenbogens im Neklid-Phänomen vom 30.01.2014. Zur Beobachtung des Sonnenuntergangs wurde danach rechtzeitig der Fichtelberg angesteuert, wo uns spontan die Wetterwarte geöffnet wurde und wir so einen optimalen Überblick in alle Richtungen genießen konnten. Bei genauem Hinsehen zeichnete sich noch eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang die Glorie mitsamt Gipfelschatten auf dem Nebel ab. Für unsere Gebirgsbeobachter ist dies zwar ein fast alltäglicher Anblick, für viele andere war es jedoch die erste Gloriensichtung ohne Flugzeugfenster dazwischen. Erst so ist es z.B. möglich, die in der Literatur beschriebene starke Polarisation der Glorie in der Realität nachzuprüfen. In der anderen Blickrichtung (zum sogenannten "Kleinen Fichtelberg" hin) waren zur gleichen Zeit wieder von Bäumen projizierte Schattenstrahlen in einem Nebelstreifen zu erkennen. Im Unterschied zur Beobachtung am Vormittag präsentierte sich der Nebel nun aber in der goldgelben Farbe der untergehenden Sonne. Zudem wurde uns durch den veränderten Standpunkt (in größerer Entfernung oberhalb des Waldes) anschaulich vor Augen geführt, dass sämtliche Licht- und Schattenstrahlen ungeachtet des perspektivischen Eindrucks aus der Nähe im Raum stets parallel zueinander liegen.
Der Sonnenuntergang bescherte uns noch eine linke Nebensonne (im Grenzbereich zur "Übernebensonne", siehe Meteoros Nr. 3/2011, S.76) sowie eine obere Lichtsäule in horizontnahem Cirrus. Die Sonnenscheibe erschien vor Erreichen des Horizonts in der Vertikalen ziemlich stark abgeplattet, danach jedoch direkt am Horizont "breitgeflossen". Dadurch war auch der exakte Zeitpunkt ihres vollständigen Verschwindens schwer feststellbar, da sich ein heller Streifen dicht am Horizont noch einige Sekunden länger als gewöhnlich hielt. Dies erinnerte ein wenig an den Nowaja-Semlja-Effekt, dort wird jedoch ein streifenförmiges Stück Sonne durch anomale Refraktion bis zu einigen Grad höhergehoben. Abgetrennte Segmente oder deutliche Grünfärbungen gab es leider nicht. Claudia konnte aber noch durch das Fernglas ein durch Luftspiegelungen verzerrtes Abbild des Großen Arber erhaschen, welches leider schnell wieder durch einen Wolkenstreifen am Horizont verdeckt wurde.
Nebelmeer am Fichtelberg
Nebelmeer am Fichtelberg (Foto: Claudia Hinz)
Parallele Schattenstrahlen
Parallele Schattenstrahlen in einem Wald am Hang des Kleinen Fichtelberges (Foto: Andreas Möller)
Der Fichtelberg mit Erdschatten
Der Fichtelberg mit Erdschatten (Foto: Elmar Schmidt)
Sonnenuntergang am Fichtelberg
"Breitgeflossene" untergehende Sonne (Foto: Alexander Haußmann)
Im Anschluss an diesen Außentermin ging es wieder mit der Theorie weiter: Alexander gab in einem zweiten Vortrag anlässlich des Halophänomens von Miesbach (01.11.2014, beobachtet von Thomas Klein) eine Übersicht über die Systematik der 22°- und 46°-Lowitzbögen und mögliche Namensgebungsvarianten. Darauf folgte zum Ausgleich ein Beitrag aus der Hochgebirgspraxis: Claudia zeigte ihre schönsten Aufnahmen von der Zugspitze. Nach einem (im Vergleich zum üppigen Mittagbrot etwas kleinerem) Abendessen im Gasthaus demonstrierte uns Micha seinen neuen "Halomator 3". Dieser Aufbau ermöglicht es, ein Plexiglas-Eiskristallmodell in allen drei Raumachsen ausschließlich mit Elektromotoren zu drehen. Damit ist nun auch ohne Pressluftversorgung eine experimentelle Simulation des 22°-Rings möglich. Überraschenderweise erfordert gerade diese vermeintlich einfachste Haloart den größten Aufwand, wenn sie an einem einzelnen Kristallmodell nachgestellt werden soll. Als Zugabe führte uns Micha noch die parryförmigen und Lateralbögen ("plate arcs") an einem in Plättchenlage, d.h. einachsig, rotierendem Pyramidalkristallmodell mit allen 20 Flächen und dem Neigungswinkel von Eis vor.
Während der Präsentation
Während der Präsentation (Foto: Michael Großmann)
Halomator
Der Halomator erzeugt Pyramidal-Halos (Foto: Andreas Möller)
Regenbogen in Öltröpfchen
Der Öltröpfchen-Regenbogen. Ein Experiment von Alexander Haußmann (Foto: Kevin Förster)
Die Reihe der Innenexperimente setze Alexander mit der Präsentation eines "Öltropfenregenbogens" fort. Dabei werden in einem würfelförmigen Gefäß, welches mit einem Wasser-Ethanol-Gemisch gefüllt ist, viele kleine Ölkügelchen zum Schweben gebracht. Aus dem relativen Brechungsindex der schwebenden Öltröpfchen von 1,08 resultiert ein Hauptregenbogen bei ca. 90° Ablenkwinkel. Der qualitative Unterschied zu den Halomator- und Spektrodromversuchen liegt dabei darin, dass hier viele statt nur eines einzigen Streukörpers (Eiskristall bzw. Kristallmodell, Wasser- bzw. Öltropfen, Wasserstrahl, Glaskugeln o.ä.) am Entstehen des Effekts beteiligt sind. Daher benötigt der Öltropfenbogen genau wie ein natürlicher Regenbogen oder Halo eine abbildende Optik (Auge, Kamera) um sichtbar zu sein und projiziert nicht "von selbst" ein Bild auf eine Wand. Gegenüber den Glasperlenbögen, bei denen die Streukörper zweidimensional verteilt sind, kann beim Öltropfenregenbogen eine echte dreidimensionale Verteilung nachgebildet werden.
Schließlich wagten noch einige Mutige einen nächtlichen Ausflug ins Neklid-Gebiet, da noch eine gewisse Chance auf Eisnebelhalos am zunehmenden Mond bestand. Es sollte allerdings auch dieses Mal "nur" bei Nebelbögen bleiben, die wieder mit der mitgebrachten Lampe erzeugt wurden. Dabei gelangen sogar ausgesprochen lehrbuchreife Exemplare mit ausgeprägten Neben- und Interferenzbögen. Wahrscheinlich war das darauf zurückzuführen, dass das relativ schmale Lichtbündel der Lampe nur ein kleines (und damit von der Tropfengrößenverteilung her entsprechend homogenes) Nebelvolumen beleuchtet. Immer noch lag die Nebelgrenze auf der Höhe von Neklid, so dass nur wenige Schritte ausreichten, um einen herrlichen Sternenhimmel zu genießen. Kälte und Wind brachten die Unternehmung dann aber doch zu einem mehr oder weniger zügigen Ende.
Neklid bei Nacht
Das Skigebiet Neklid bei mit Mond und Wolkenmeer (Foto: Alexander Haußmann)
Möge die Macht mit euch sein
Möge die Macht mit euch sein (Foto: Andreas Möller)
Doppelter Lampenlicht-Nebelbogel
Doppelter Lampenlicht-Nebelbogen mit Interferenzbogen innerhalb des Hauptbogens (Foto: Andreas Möller)
Im Nebel
Im dichten Nebel von Neklid (Foto: Michael Großmann)

30.11. - Sonntag

Für den Sonntag war noch ein Ausflug auf den Keilberggipfel angesetzt, bei welchem wir nun endlich auch ein paar Halos zu Gesicht bekamen – zwar ganz klassisch in Cirrus, immerhin aber auch mit einem schwachen Supralateralbogen. Da der Rückweg ohnehin am Neklid-Gebiet vorbeiführte, versammelten sich dort nochmals fast alle Teilnehmer. Derweil hatte auch die Haloaktivität wieder etwas zugenommen, so dass als Höhepunkt sogar ein kurzlebiges Stück des konkaven Parrybogens kollektiv beobachtet werden konnte. Durch diese Nachricht ließen sich auch Claudia und Wolfgang noch mal nach Neklid locken, so dass das große Abschiednehmen auf dem historischen Grund des großen Halophänomens vom 30.01.14 stattfand. Auch wenn die erhofften Eisnebelhalos leider auch bei diesem Treffen größtenteils ausblieben, hat die Mischung aus Vorträgen, Ausflügen und Experimenten allen zugesagt und die AntonGünther-Baude in Boží Dar ist bereits für das 13. Treffen der Beobachter atmosphärischer Erscheinungen vom 26.-29.11.2015 gebucht. Ein Programmpunkt steht auch schon fest: Die komplette Besichtigung der Fichtelberg-Wetterwarte, welche 2016 ihr 100jähriges Bestehen feiert. 
Rechte Nebensonne
Endlich Halos: Die rechte Nebensonne (Foto: Elmar Schmidt)
Gruppenfoto
Gruppenfoto unter dem Nebelbogen in Neklid (Foto: Andreas Möller)
Halobeobachtung
Michael und Andreas beobachten Halos am Skigebiet Neklid (Foto: Alexander Haußmann)
Autor: Alexander Haußmann