20.02.1661 - Danzig

Der erste Bericht vom Danziger Halophänomen

Das Danziger Halophänomen vom 20. Februar 1661 ist wohl das berühmteste Halophänomen überhaupt und wird bis heute lebhaft diskutiert. Es wurde von dem hervorragenden Astronomen Johannes Hevelius beobachtet, der in seinem Buch "Mercurius in Sole visus" das Phänomen anhand einer Zeichnung beschreibt. Eine Wiedergabe der Zeichnung findet sich in nahezu jedem Buch über Haloerscheinungen. Das Besondere an diesem Phänomen ist die Beobachtung von Fragmenten eines 90°-Rings um die Sonne, auf dessen Schnittpunkten mit dem Horizontalkreis Nebensonnen zu sehen waren. Die Existenz dieser Haloarten konnte bislang nicht durch aussagekräftige Fotos bewiesen werden. Eine theoretische Erklärung gibt es ebenfalls nicht. Daher wurde wiederholt vermutet, dass der 90°-Ring nicht existiert und die Beobachtung von Hevelius ungenau sei oder dass die Zeichnung falsch interpretiert werde. Tape regt an, dass es sich bei dem 90°-Ring in Wirklichkeit um einen Untersonnenbogen handelt. Dieser Auffassung ist auch Greenler. Hastings meint, dass ein Halophänomen, das nur einmal in einem Viertel Jahrtausend beobachtet wurde, nicht existieren kann. Bei einer Recherche nach alten Halo-Darstellungen stieß ich auf die Schrift eines Pfarrers aus Danzig, die den Titel trägt: "Siebenfältiges Sonnenwunder oder sieben Nebensonnen, so in diesem 1661 Jahr den 20. Februar neuen Stils am Sonntage Sexagesima um 11 Uhr bis nach 12 am Himmel bei uns sind gesehen worden." Das Original befindet sich in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, die mir auf Anfrage eine Mikrofilm-Kopie herstellte. Die Schrift wurde vom damaligen Pfarrer der Danziger St. Marien Kirche Georg Fehlau verfaßt und berichtet in deutscher Sprache von eben jenem Halophänomen, das auch Hevelius in Danzig gesehen hat. Die Schrift gibt eine Predigt wieder, die Fehlau am 6. März, also nur 14 Tage nach dem Halophänomen, in der St. Marien Kirche gehalten hat. Darin wird ausführlich auf das Halophänomen eingegangen, "von welchem die ganze Stadt in diesen 14 Tagen viel geredet hat und noch billig redet und auch in der Ferne viel wird geredet werden". Fehlau schreibt, dass das Phanomen "von mehr als tausend Augen gesehen wurde". Meine erste Vermutung war, dass es sich dabei um eine Parallelbeobachtung zu der Beobachtung von Hevelius handelt, die das Rätsel um Hevels Halo aufklären könnte. Diese Vermutung bestätigte sich leider nicht. Die Beschreibung des Phänomens durch Fehlau ist nahezu identisch mit der von Hevelius. Darüber hatte ich mich zunächst gewundert, da das Buch von Hevelius erst im Jahr 1662 veröffentlicht wurde, also fast ein Jahr nach Fehlaus Schrift. Fehlau sagt in einer Fußnote, dass die Beschreibung des Phänomens auf Hevelius zurückgeht. Nach eigenen Angaben hatte er Hevelius am 3. März 1661 besucht, um gemeinsam mit ihm einen Kometen zu beobachten. Sehr wahrscheinlich hat Hevelius bei dieser Gelegenheit Fehlau die Aufzeichnungen über das Halophänomen überlassen. Hevelius muss also seine Beobachtung direkt nach dem Halophänomen niedergeschrieben haben. Ich gebe hier die Beschreibung des Phänomens durch Fehlau wieder:
"1.Wir schreiten hierauf zu der Anschauung und Betrachtung unser neulich erschienenen Neben- oder Bey-Sonnen, die heute vor 14 Tagen sind gesehen worden; von welchen wir hier reden. Mit denselben verhielt es sich so: Heute vor 14 Tagen war der 20. Februar ungefähr um 11 Uhr vormittags da die Sonne im Süd gen Osten stand und die Luft allenthalben gar hell und klar war, hat man sieben Sonnen zugleich deutlich am Himmel, nämlich drei farbige und drei weiße nebst der rechten Sonnen zugleich gesehen. Um welche erstlich ein ziemlich großer fast ganz geschlossener Circuli sich befunden, sehr schön von Farben, als ein Regenbogen auf welchen von beiden Seiten zwei farbige Nebensonnen, mit der rechten Sonne auf einer Höhe von dem Horizont gestanden. Beide hatten lange klare und weißliche Schwänze als Cometen spitz, der eine nach Osten, der andere nach Westen zugehend.Zum 2. eben auf diesem Circuli, recht oberhalb der Sonnen, unter einer vertical Linie ist gestanden ein Stück von einem umgekehrten Circel oder Regenbogen, auch sehr schön von allerhand Farben, darin auch eine etwas dunkle Nebensonne vorhanden war.Zum 3. so hat sich auch präsentiert noch ein viel größerer Circel auch von allerhand schönen Farben um die Sonne, welcher den vorherigen umgeben, war etwas bleicher und nicht ganz geschlossen, weil der Horizont zu nahe, und der Diameter des Circels zu groß, auf welchem oben nahe dem Hauptpunkte ebenmäßig ein umgekehrtes Stück vom Regenbogen zu sehen gewesen, sehr hell und schön von Farben.Zum 4. kam ein anderer überaus weißlicher und silberfarbener Circel gleichsam aus den beiden Nebensonnen nächst der rechten Sonne heraus, welcher sich um den ganzen Horizont befand und stand von demselbigen überall gleich weit ab etliche 20 Grad: Auf diesem Circel standen abermals drei silberfarbene Sonnen, eine recht im Norden gen Westen, nämlich gegen die rechte Sonnen über. Die andere im Norden gen Osten und die Dritte im Süden gen Westen. Durch diese beiden letzten als Östliche und Westliche ging ein weißes Stück Circelbogens von oben herab kommend hindurch, zugleich durch den großen Bogen, worauf sie standen. Also dass durch diese beiden weißen Nebensonnen ein weißes Kreuz schien zu gehen, welches sehr norabel und verwunderlich war anzusehen über 1 1/2 Stunden, ehe alles wiederum vergangen ist. Ist also dieses ein über alle Maßen schönes Bild gewesen, in welchem sich 7 Sonnen zugleich haben sehen lassen, welches ansonsten nicht ist observiert worden. Ja gelehrte Leute halten davon, wenn man dieses Bild vielleicht etwas eher hätte beobachtet, möchte man wohl 9 Sonnen zugleich gesehen haben."
Hevels Zeichnung des Phänomens
Hevels Zeichnung des Phänomens; aus Pernter "Meteorologische Optik", 1. Aufl. 1906
Abbildung mit freundlicher Genehmigung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Die Haloarten lassen sich anhand des Textes leicht identifizieren. Im ersten Abschnitt beschreibt Fehlau den 22°-Ring mit beiden Nebensonnen. Im zweiten Abschnitt den oberen Berührungsbogen, im dritten Abschnitt den 46°-Ring mit Zirkumzenitalbogen und im vierten Abschnitt den Horizontalkreis mit Gegensonne und zwei Nebensonnen im 90°-Bereich, durch die Fragmente eines großen ringförmigen Halos (Hevels Halo) gehen. Vergleicht man die Beschreibung mit der von Hevelius, so gibt es fast keine Unterschiede. Selbst die Wortwahl und die Aufteilung der Abschnitte ist gleich. Im Gegensatz zu dem Bericht von Hevelius fehlen allerdings die genauen Winkelangaben. Auch wird bei Fehlau deutlicher als bei Hevel hervorgehoben, dass der 90°-Halo mit dem Horizontalkreis ein Kreuz gebildet hat. Dies spricht eher gegen die Annahme, dass es sich bei Hevels Halo um den Untersonnenbogen gehandelt hat, da der Untersonnenbogen den Horizontalkreis unter einem flachen Winkel schneidet, was wohl kaum den Eindruck eines Kreuzes hervorruft. Da es sich bei der Schrift von Fehlau aber eben nicht um eine unabhängige Beobachtung zu der von Hevelius handelt, kann damit die Existenz des 90°-Rings nicht geklärt werden. Sehr interessant ist eine Zeichnung, die sich auf der letzten Seite von Fehlaus Schrift befindet. Fehlau erwähnt die Zeichnung mit keinem Wort. Daher kann auch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es sich dabei wirklich um eine Darstellung des Danziger Halophänomens handelt, obgleich es doch sehr wahrscheinlich ist. Was fehlt ist der Zirkumzenitalbogen, der 46°-Ring und der obere Berührungsbogen. Dafür sind aber die Gegensonne und die beiden Nebengegensonnen, durch die Bogenstücke hindurchgehen, abgebildet. Bei genauer Betrachtung sieht man, dass die Nebengegensonne im Nordosten etwa 110° von der Sonne entfernt eingezeichnet ist und die südwestliche Nebengegensonne einen Abstand von 90° zur Sonne hat. Waren es also vielleicht gar nicht Nebensonnen im 90°-Bereich, sondern 120°-Nebensonnen? Auch einem geübten Beobachter kann es leicht passieren, dass er den Abstand der 120°-Nebensonnen falsch einschätzt. Darüber hinaus hat der Bogen, der in der Zeichnung durch die nordöstliche Nebengegensonne geht, eine große Ähnlichkeit mit dem Untersonnenbogen, der bei dieser Sonnenhöhe (etwa 27°) auch genau durch die 120°-Nebensonne geht. Auch wenn der andere Bogen durch die andere Nebengegensonne steiler emporragt, unterstützt diese Zeichnung die Theorie, dass es sich bei Hevels Halo um den Untersonnenbogen gehandelt hat und die Nebensonnen, die im Schnittpunkt mit dem Horizontalkreis zu sehen waren, in Wirklichkeit 120°-Nebensonnen waren.